Unter Marie Finsler, ZFV-Frau der ersten Stunde und zweite Präsidentin der Genossenschaft, erhielt der ZFV 1914 das Mandat für die Führung der Gastronomie an der Universität Zürich (UZH). Damit war der Einstige in die Bildungsgastronomie geschafft. Im 2023 sicherte sich der ZFV dieses Mandat für weitere sieben Jahre. Auch bei der Ausschreibung des Gastronomiemandats auf dem Toni Areal (ZHdK und ZHAW) war der ZFV Ende 2024 erfolgreich. Karin Altherr, Leiterin Business Development beim ZFV, gibt uns Einblick über die Herausforderungen, die mit öffentlichen Ausschreibungen im Bereich der Bildungsgastronomie verbunden sind.
Und was ist mit Dir persönlich: Wo bist Du Pionierin?
Mir ist es wichtig, meine weibliche Persönlichkeit und Fähigkeiten in der Arbeitswelt zu nutzen und einzubringen. Ich stehe für eine transformale Führung und Partnerschaften. Ich möchte Vorbild sein, schenke Vertrauen und empowere Menschen. Ich stehe für Teams ein, die divers sind. Und dann ist es mir ein grosses Anliegen, eine gute Balance zwischen Beruf, Familie und Freizeit zu schaffen. Ich habe ein Lebens- und Arbeitsmodell, das andere Eltern mit Schulkindern, aber vor allem auch Frauen, inspiriert. Ich kann da sehr gut Brücken schlagen. So versuche ich Wegbereiterin im Bereich «Female Leadership» zu sein.

Karin, was bedeutet der Zuschlag für die Weiterführung des Gastronomiemandats auf dem Toni Areal für den ZFV?
Der Zuschlag bedeutet, dass wir unsere bereits 10-jährige Erfolgsgeschichte auf dem Toni Areal in Zürich für weitere sechs Jahre fortschreiben können. Das freut uns sehr. Denn das Toni Areal ist für uns ein idealer Ort: pulsierend, mit diversem Publikum, ein attraktiver Begegnungsort mitten in der Stadt Zürich. Wir sind sehr motiviert, hier Leuchttürme weiterzuentwickeln, die dem Anspruch «Sustainable Campus» des Toni Areals entsprechen.
Was sind die Herausforderungen bei Ausschreibung wie jener für das Toni Areal?
Mit jeder Ausschreibung will sich die ausschreibende Partei weiterentwickeln – unabhängig davon, ob es ein Bildungsinstitut oder ein:e Businesspartner:in ist. Die Messlatte für das gastronomische Angebot wird dabei qualitativ immer höher gesetzt und die Fülle der Anforderungen nimmt zu. Wir sehen das besonders beim Thema Nachhaltigkeit. Es geht dabei um klimafreundliche und gesunde Menüs, den Einkauf nachhaltiger Labels, die Berücksichtigung von lokalen Produkten, umfassende Konzepte für Food Waste oder Chancengerechtigkeit und Inklusion. Und natürlich erwarten Auftraggebende ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis.
Wie könnt ihr ein gutes Preis-Leistungsverhältnis offerieren, gleichzeitig die Betriebe aber kosteneffizient führen?
Wir müssen viele Faktoren abwägen, um einen guten und fairen Mittelweg zu finden. Es geht u.a. um Erschwinglichkeit, Nachhaltigkeit, d. h. die Anforderungen an die Zutaten oder die Lieferkette, sowie um die Produktfrische oder die Convenience-Stufe. Auch die Komplexität der Produktionsprozesse und der benötige Personalaufwand spielen eine Rolle. Gerade bei der vegetarischen und veganen Küche wird oft erwartet, dass diese Menüs per se günstiger sind. In der Realität ist das aber nicht so: Der Personalaufwand für ein ausgewogenes, raffiniertes, veganes Menü ist meistens grösser als für ein Fleischgericht. Und gute pflanzliche Produkte haben ihren Preis.
Der ZFV ist in der Bildungsgastronomie sehr erfolgreich unterwegs. Weshalb?
Junge Menschen sind seit den Anfängen des ZFV eine wichtige Zielgruppe. Sie sind unsere Zukunft, sei es als unsere zukünftigen Gäste in den Personalrestaurants von Unternehmen, in den Hotels oder als Eltern von Kitakindern. Wir schätzen sie, wir verstehen ihre Bedürfnisse und wir setzen uns für ihre Anliegen ein. Dies ganz im Sinne unserer Vision: Gastfreundschaft für eine Gesellschaft, in der wir alle leben wollen.

Die Messlatten für das gastronomische Angebot werden immer höher gesetzt und die Fülle der Anforderungen nimmt zu.
Inwieweit unterscheiden sich die Bildungs- und Businessgastronomie?
Viele Anforderungen oder Trends betreffen beide. Das sehen wir z. B. beim Thema Hybrid- und Remote-Arbeiten oder -Lernen. Oder die Anforderung, mehr als nur Verpflegung anzubieten. Heute geht es darum, inspirierende Begegnungsorte zu schaffen, an denen sich die Gäste wohlfühlen. Orte, die jederzeit für den Austausch sowie zum Arbeiten oder Lernen genutzt werden können. Bei den Bildungsinstituten haben wir es – im Vergleich zu unseren Businesskunden – mit einem etwas fordernderen Zielpublikum zu tun. Das motiviert uns und bringt uns weiter. Zudem stellen wir fest, dass die jungen Gäste heute gerne kochen und das selbstgekochte Essen mitbringen. Der Anteil an Veganer:innen und sogenannten «Budgetfoodies» ist in Bildungsinstituten grösser als in Unternehmen. Letzteres sind Gäste, die durchaus gutes Essen schätzen, aber aufgrund eines knappen Budgets bei der Menüwahl besonders auf den Preis achten.
An Bildungsinstituten wird Lehre und Forschung betrieben. Inwieweit profitiert ihr davon?
Wir werden von den Hochschulen immer wieder für Projekte oder für das Mitwirken an Forschungsarbeiten angefragt, sei es für Bachelorarbeiten oder grössere Projekte. Wir unterstützen diese Arbeiten und Projekte gerne. Sie müssen uns dann aber auch etwas bringen. Entsprechend bringen wir auch eigene Ideen ein. «Farm to Table» am Toni Areal, das die künftigen Anforderungen an die Hochschulgastronomie untersuchte, war ein solches Forschungsprojekt.

Eine Pionierleistung ist das umfassende Leistungsspektrum, das wir zusammen mit unseren Partner:innen geschaffen haben.
Welche Erkenntnisse resultierten aus diesem Forschungsprojekt konkret?
Eine zentrale Erkenntnis war, dass je nachhaltiger die Lieferkette ist, desto höher sind die Warenkosten. Das hat Einfluss auf unsere Kalkulation und den Preis. Die zweite Erkenntnis betrifft die Kommunikation: Um die Gäste bei ihrer Entscheidung für eine klimafreundliche und umweltschonende Ernährung zu unterstützen, braucht es eine gute Kommunikation. Sie darf nicht moralisierend sein. Vielmehr muss der Genuss und die Attraktivität des Angebots betont werden.
Entsprechend positive Erfahrungen sammelt ihr beim Green Kitchen Lab am Campus Irchel der UZH…
Genau. Dass eine gute Kommunikation erfolgreich ist, zeigt sich sehr schön bei unserem Green Kitchen Lab: Das Feedback für das pflanzenbasierte Angebot ist durchwegs nur positiv. Es ist auch bezüglich Preis-Leistung top. Wir zeigen mit dem Menüleitsystem FOOD2050 den Gästen auf, welche Klimawirkung und welche Ausgewogenheit die jeweilige Menüwahl hat. Wir toppen uns an diesem Standort aktuell punkto Besucherfrequenz und der Anzahl pflanzenbasierter Menüs, die wir verkaufen. Obwohl Fleisch als Add-on angeboten wird, sind es nur wenige Gäste, die davon Gebrauch machen.


Wo findet ihr Inspiration?
Um Ideen für inspirierende Begegnungsorte wie das Green Kitchen Lab zu erhalten, müssen wir über den eigenen Tellerrand hinausschauen: Wir beobachten deshalb genau, was rund um uns in der Gastronomie läuft und welche Trends sich wie entwickeln. Zu den Entwicklungen in den Nachbarländern haben wir auch schon Studien in Auftrag gegeben. Wir analysieren zudem das Feedback unserer Gäste. Und wir haben als wichtiges Gefäss für Innovationen – im Sinne eines Open Innovation Ansatzes – das ZFV-Living Lab geschaffen. Hier kooperieren wir mit Start-ups und anderen Institutionen und profitieren von deren innovativem Spirit.
Was ist Euer Rezept, um neue Mandate zu gewinnen?
Inhaltlich muss das Angebot den Auftraggebenden überzeugen. Eine Ausschreibung ist aber v. a. auch die Leistung eines eingespielten und hochmotivierten Teams, das abteilungsübergreifend zusammenarbeitet und auch immer wieder kleinere und grössere Meilensteine feiert.

Junge Menschen sind seit den Anfängen des ZFV eine wichtige Zielgruppe. Wir schätzen sie, wir verstehen ihre Bedürfnisse und wir setzen uns für ihre Anliegen ein.
Was bedeutet es für Dich in einem Unternehmen zu arbeiten, das von Frauen wie Marie Finsler, unter deren Führung das Mandat der UZH 1914 dem ZFV übergeben wurde, inspiriert worden ist?
Es gibt mir Kraft und Energie, mich für die aktuellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu engagieren. Alle diese Pionierinnen haben sich vor allem auch für eine bessere Zukunft der Frauen eingesetzt. Dessen bin ich mir sehr bewusst. Ich weiss, dass ich persönlich heute davon profitiere.
Wo siehst Du den ZFV heute als Pionierin?
Eine Pionierleistung ist das umfassende Leistungsspektrum, das wir zusammen mit unseren Partner:innen geschaffen haben. Wir sprechen hier vom ZFV-Ökosystem. Und dieses ist einzigartig. Unsere eigenen Gastronomiekonzepte können wir damit modulartig ergänzen. So schaffen wir für unsere Kund:innen einen Mehrwert. Unser Menüleitsystem FOOD2050, die Zusammenarbeit mit ViCAFE, John Baker oder roots gehören zu diesen Partnerschaften.
Marie Finsler (1865-1929)
Einstieg des ZFV in die Gemeinschaftsgastronomie
Nachdem Nanny Huber-Werdmüller 1905 aus gesundheitlichen Gründen das ZFV-Präsidium abgibt, rückt Marie Finsler nach. Sie bleibt 14 Jahre Präsidentin des ZFV. In ihre Zeit fällt 1910 die Eröffnung des alkoholfreien Volkshauses in Zürich, ein Herzensprojekt der ZFV-Gründerin Susanna Orelli-Rinderknecht. Und der ZFV steigt in die Gemeinschaftsgastronomie ein: 1914 übernimmt er die Führung der Mensa an der Universität Zürich (UZH). Marie Finsler wäre bestimmt stolz zu hören, dass 100 Jahre später dieses Gastronomiemandat immer noch in den Händen des ZFV ist.
